BAEK Patientensicherheit

Patientensicherheit POSITIONSPAPIER DER BUNDESÄRZTEKAMMER Kompetenz Kooperation Kultur Kontrolle PATIENTEN SICHERHEIT

Seite 2 von 17 Positionspapier der Bundesärztekammer Positionspapier der Bundesärztekammer zum Thema „Patientensicherheit“ Gemäß dem Beschluss des Vorstands der Bundesärztekammer in seiner Sitzung am 13./14.04.2023 Inhalt Patientensicherheit als Systemansatz 3 Handlungsfelder 5 Handlungsfeld „Kultur“ 7 Handlungsfeld „Kompetenz“ 9 Handlungsfeld „Kontrolle“ 13 Handlungsfeld „Kooperation“ 15 Impressum 17 Patientensicherheit

Seite 3 von 17 Positionspapier der Bundesärztekammer Für Behandlungsqualität und -sicherheit zu sorgen – „salus aegroti suprema lex” und „primum nihil nocere“ – steht seit jeher im Zentrum ärztlichen Handelns. Qualität und Sicherheit werden dabei als „Systemansatz“ verstanden, der das Zusammenwirken von handelnden Personen und Behandlungskontext mit dem Ziel der Fehlerprävention in den Blick nimmt. Hintergrund: Patientensicherheit als Systemansatz Patientensicherheit, d.h. aktive Fehlerprävention ist für Ärztinnen und Ärzte keine neue oder zusätzliche Aufgabe, sondern Kern des ärztlichen Selbstverständnisses. Dementsprechend konzentriert sich auch der staatliche Auftrag der Ärztekammern, für die Qualität der ärztlichen Berufsausübung Sorge zu tragen, auf die Gewährleistung von Qualität und Sicherheit in der Patientenversorgung. „Neu“ – konkret seit Veröffentlichung des Berichtes „To Err is Human“ im Jahr 1999 – ist, dass die Erkenntnisse aus der Risikoforschung, die für Hochrisikobereiche wie die Luftfahrt, Chemieindustrie oder Kernkraftwerke vorliegen, auch für die Arbeitsorganisation in der Medizin gelten. Demnach werden Fehler und vermeidbare Schäden weniger durch das schuldhafte Handeln und Versagen von einzelnen Personen verursacht, als vielmehr durch Schwachstellen in der Organisation, die fehlerhafte Abläufe begünstigen. Erfolgreiche Fehlerprävention setzt deshalb sowohl bei der fachlichprofessionellen Kompetenz der Akteure an als auch bei den Rahmenbedingungen, in die das jeweilige Handeln eingebettet ist. Dies gilt für Piloten wie für Ärzte. Patientensicherheit

Seite 4 von 17 Positionspapier der Bundesärztekammer So hat auch in der Medizin der Behandlungskontext eine wesentliche Bedeutung. Erst über das Zusammenspiel von a) beteiligten Personen – inklusive Patientinnen und Patienten – b) Kontext, wie Strukturen, Technik, Medizinprodukte, Arzneimittel, Ausstattung, (Personal-) Ressourcen, Qualifikationen, Prozesse, Führung, Kommunikation und Zusammenarbeit sowie c) situationsbedingten Triggerfaktoren wie Personalausfall etc. erschließt sich, welche Maßnahmen zur Fehlerprävention im jeweiligen Setting zielführend sind. Dieser ganzheitlichen Perspektive bzw. diesem sogenannten „Systemansatz“ folgend definiert die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Patientensicherheit als „Rahmen organisierter Aktivitäten, die Kulturen, Prozesse, Verfahren, Verhaltensweisen, Technologie und Umgebungen in der Gesundheitsversorgung schaffen, welche beständig und nachhaltig Risiken senken, das Auftreten vermeidbarer Schäden reduzieren, Fehler unwahrscheinlicher machen und die Auswirkungen von eintretenden Schäden verringern.“ (WHO 2021)¹ 1 In: Globaler Aktionsplan für Patientensicherheit 2021–2030: Auf dem Weg zur Beseitigung vermeidbarer Schädigungen in der Gesundheitsversorgung, S. V, vgl. https://www.bundesgesundheitsministerium.de Patientensicherheit

Seite 5 von 17 Positionspapier der Bundesärztekammer Handlungsfelder Die Position der Bundesärztekammer zum Thema Patientensicherheit knüpft an diese umfassende Definition an. Während der jüngst vorgelegte WHO-Aktionsplan für Patientensicherheit die Gesundheitssysteme weltweit und die Akteure auf den unterschiedlichen Ebenen (Politik, Gesundheitsberufe, Kostenträger, Interessenverbände etc.) mit einem breiten Spektrum an Maßnahmenvorschlägen adressiert2, liegt der Fokus der Bundesärztekammer auf dem Beitrag der Ärzteschaft in Deutschland. Das Positionspapier greift dabei die für Deutschland im nationalen Gesundheitsziel Patientensicherheit (2022)3 als zentral benannten Themen (Patientensicherheits-) „Kultur“ und (Patientensicherheits-) „Kompetenz“ auf und ergänzt diese um die Handlungsfelder „Kontrolle“ und „Kooperation“. Patientensicherheit 2 Vgl. ebenda, S. 11–14: Aktionspartner und Aktionsrahmen 3 Nationales Gesundheitsziel Patientensicherheit, Kooperationsverbund gesundheitsziele.de, www.gvg.org

Seite 6 von 17 Positionspapier der Bundesärztekammer Dem Systemansatz entsprechend umfassen Maßnahmen der Bundesärztekammer zur Steigerung der Patientensicherheit die Handlungsfelder: (Patientensicherheits-) • Kultur • Kompetenz • Kontrolle und • Kooperation Die Handlungsfelder greifen ineinander und können perspektivisch/ bei Bedarf um weitere Handlungsfelder ergänzt werden. Kompetenz Kooperation Kultur Kontrolle PATIENTEN SICHERHEIT Patientensicherheit

Seite 7 von 17 Positionspapier der Bundesärztekammer Kultur Handlungsfeld „Kultur“ Auf sicherheitsrelevante Aspekte und Fehlerprävention ausgerichtete gemeinsame Werte, Einstellungen und Verhaltensweisen. Die (Patientensicherheits-)Kultur bezeichnet die Art und Weise, wie in der täglichen Patientenversorgung mit der Prävention und Bewältigung von Risiken und vermeidbaren unerwünschten Ereignissen de facto umgegangen wird. Von zentraler Bedeutung ist dabei, dass die Beteiligten einen auf Lösungen orientierten, sanktionsfreien, offenen Austausch und Umgang mit Unsicherheiten, Abweichungen in Arbeitsprozessen, (potenziellen) Fehlerereignissen und Maßnahmen zur Ursachenanalyse und Verbesserung im Versorgungsalltag erleben. Eine (positive) Sicherheitskultur lässt sich nicht einmalig anordnen oder stellt sich von sich aus ein, sondern wird durch Führungskräfte vorgelebt und durch das tägliche Miteinander stetig geprägt und praktisch erfahren. Patientensicherheit

Seite 8 von 17 Positionspapier der Bundesärztekammer Aktivitäten der Ärzteschaft (Auswahl): • Mit dem BÄK-Curriculum Ärztliche Führung wird die Bedeutung ärztlicher Führungspraxis für die Steigerung der Patientensicherheit explizit aufgegriffen (beispielsweise mit Themen wie „Second Victim“, „Psychologische Sicherheit“ etc.). • Die Ärzteschaft stellt mit dem Ärztlichen Peer Review ein Verfahren zur Verfügung, das mit dem kollegialen Dialog als zentralem Element zur Stärkung der Qualitäts- und Sicherheitskultur aktiv beiträgt. • Morbiditäts- und Mortalitätskonferenzen (M+MK) zielen darauf ab, besondere Behandlungsverläufe und kritische Ereignisse auf strukturierte, lösungsorientierte Weise in (Behandlungs-) Teams gemeinsam zu analysieren und aufzuarbeiten. Damit tragen M+MK zu an Lösungen und Verbesserungen orientierten Ereignisanalysen und zur Stärkung der Patientensicherheitskultur konkret bei. Die Bundesärztekammer hat einen Leitfaden zur Durchführung von M+MK bereitgestellt, der als Hilfestellung bei der Umsetzung von M+MK in Einrichtungen der Patientenversorgung dienen kann. Kultur Patientensicherheit

Seite 9 von 17 Positionspapier der Bundesärztekammer Handlungsfeld „Kompetenz“ Handlungskompetenz – Wissen, Skills, Haltung – zur Stärkung von Sicherheit und Fehlerprävention. Die ärztliche Handlungskompetenz speist sich aus medizinischwissenschaftlichem Fachwissen, das individuell auf Patientinnen und Patienten bezogen und entsprechend der jeweiligen ärztlichen Erfahrung zur Anwendung kommt. Ausgehend vom Medizinstudium, sorgen die in der Zuständigkeit der Ärztekammern liegende Weiterbildung zum Facharzt/Fachärztin und schließlich das gesamte ärztliche Berufsleben begleitende Fortbildungsmaßnahmen und Aktivitäten zur Qualitätssicherung ärztlichen Handelns dafür, dass die medizinisch-fachliche Kompetenz ausgebildet, beständig erweitert und entsprechend dem medizinischen Fortschritt aktuell gehalten wird. Behandlungsqualität und -sicherheit stehen dabei stets im Fokus. Mit dem medizinischen Fortschritt steigen auch die Behandlungsmöglichkeiten und Chancen für eine erfolgreiche Patientenbehandlung. Eine Vielzahl an unterschiedlichen Fachdisziplinen, Berufsgruppen, Einrichtungen, spezialisierten Techniken etc. sind daran beteiligt. Kompetenz Patientensicherheit

Seite 10 von 17 Positionspapier der Bundesärztekammer Die zunehmende Arbeitsteilung und Komplexität der Gesundheitsversorgung bringt jedoch auch neue Risiken für organisationsbedingte Fehler mit sich, d.h. Risiken, die durch das komplexe Zusammenwirken der vielfältigen Komponenten im Behandlungssetting erst entstehen. Das Wissen und die Fähigkeiten zum Umgang mit Fehlerursachen „im System“ werden daher immer wichtiger – zusätzlich zu den medizinischen Kernkompetenzen. Kompetenz Patientensicherheit

Seite 11 von 17 Positionspapier der Bundesärztekammer Aktivitäten der Ärzteschaft (Auswahl): • (Muster-)Kursbuch Ärztliches Qualitätsmanagement Qualitätsmanagement zielt darauf ab, die einrichtungsinterne Organisation der Patientenversorgung zu optimieren. Dies schließt Maßnahmen zur Steigerung der Patientensicherheit explizit mit ein. Basierend auf dem (Muster-)Kursbuch Ärztliches Qualitätsmanagement der Bundesärztekammer hat sich die Zusatz-Weiterbildung „Ärztliches Qualitätsmanagement“ im ärztlichen Fortbildungskanon fest etabliert und wurde zwischenzeitlich von mehr als 3.100 Ärztinnen und Ärzten erworben. • Fortbildungskonzept Patientensicherheit Mit dem Fortbildungskonzept Patientensicherheit (Herausgeber: Bundesärztekammer, Kassenärztliche Bundesvereinigung und Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin) werden die grundlegenden Aspekte der Patientensicherheitskompetenz adressiert. Das Fortbildungskonzept steht als Vorlage für die Gestaltung von Fortbildungsangeboten mit unterschiedlichen Schwerpunkten zur Verfügung. • Programm für Nationale Versorgungs-Leitlinien (NVL) Das Programm für NVL ist eine gemeinsame Initiative von Bundesärztekammer, Kassenärztlicher Bundesvereinigung und Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften zur Qualitätsförderung in der Medizin. Die operative Durchführung und Koordination des NVL-Programms erfolgt durch das Ärztliche Zentrum für Qualität in der Medizin. Kompetenz Patientensicherheit

Seite 12 von 17 Positionspapier der Bundesärztekammer Aktivitäten der Ärzteschaft (Auswahl): • Patienteninformationen Im Auftrag von Bundesärztekammer und Kassenärztlicher Bundesvereinigung entwickelt das Ärztliche Zentrum für Qualität in der Medizin Gesundheitsinformationen (Patientenleitlinien, Kurzinformationen und Patientenblätter) – insbesondere zu NVL – speziell für Patientinnen und Patienten und stellt qualitativ hochwertige Gesundheitsinformationen über das Patientenportal der ärztlichen Selbstverwaltung zur Verfügung. Kompetenz Patientensicherheit

Seite 13 von 17 Positionspapier der Bundesärztekammer Handlungsfeld „Kontrolle“ Analyse und Prävention von kritischen Ereignissen. Patientensicherheit zu steigern, bedeutet Ursachen für vermeidbare unerwünschte Ereignisse zu erkennen und zielgerichtete Präventionsmaßnahmen zu ergreifen. Das Handlungsfeld „Kontrolle“ bezieht sich deshalb auf die Analyse von kritischen bzw. unerwünschten Ereignissen und (potenziellen) Fehlern, das Lernen aus ihnen und auf die Umsetzung von Maßnahmen zur Prävention. Kontrolle Patientensicherheit

Seite 14 von 17 Positionspapier der Bundesärztekammer Aktivitäten der Ärzteschaft (Auswahl): • Mit dem von der Bundesärztekammer betriebenen Berichts- und Lernsystem CIRSmedical.de als auch mit dem gemeinsam von der Bundesärztekammer, der Deutschen Krankenhausgesellschaft und dem Deutschen Pflegerat e. V. bereitgestellten Krankenhaus-CIRSNetz Deutschland 2.0 werden Berichte zu sicherheitsrelevanten Ereignissen und Beinahe-Schäden analysiert und Erkenntnisse zur Fehlerprävention abgeleitet und bereitgestellt. Es handelt sich dabei um anonyme Berichtssysteme, die das Lernen aus kritischen Ereignissen u.a. mit Formaten wie den„Fall des Monats“ in den Mittelpunkt stellen. • Die Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Landesärztekammern stellen für Patientinnen und Patienten ein unabhängiges, kostenloses Verfahren zur Klärung von Behandlungsfehlervorwürfen zur Verfügung. Die aus den Begutachtungsverfahren gewonnenen Erkenntnisse können mittels Fortbildungsmaßnahmen in ärztliche Lernprozesse eingespeist werden. • M+MK (siehe Seite 8) Kontrolle Patientensicherheit

Seite 15 von 17 Positionspapier der Bundesärztekammer Handlungsfeld „Kooperation“ Zusammenarbeit auf allen Ebenen des Gesundheitssystems. Angesichts der hocharbeitsteilig organisierten Patientenversorgung und der Komplexität unseres Gesundheitssystems hat die gelingende Zusammenarbeit eine zentrale Bedeutung für die Stärkung der Patientensicherheit. Je mehr Akteure und Komponenten an Prozessen beteiligt sind, desto mehr Möglichkeiten bieten sich auch für fehlerhafte Interaktionen, Informationsdefizite etc. Dies gilt nicht nur für die Zusammenarbeit von Fach- und Berufsgruppen in der direkten Patientenversorgung in Klinik, MVZ und Praxis sondern auch für den Austausch und die Vernetzung unterschiedlicher Akteure auf der politisch-strategischen Ebene. Kooperation Patientensicherheit

Seite 16 von 17 Positionspapier der Bundesärztekammer Aktivitäten der Ärzteschaft (Auswahl): • Die Kooperation mit den Fachberufen im Gesundheitswesen, Aktivitäten zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und zur Berufsentwicklung der Medizinischen Fachangestellten sind integraler Bestandteil des Engagements der Bundesärztekammer/der Ärztekammern. • Der seit dem Jahr 2007 vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) ins Leben gerufene und stetig fortentwickelte Aktionsplan zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit in Deutschland (AMTS) wird durch eine Koordinationsgruppe, die bei der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft angesiedelt ist, umgesetzt. Ziel des stetig weiterentwickelten umfassenden Maßnahmenpakets des Aktionsplans ist es, unerwünschten Arzneimittelwirkungen, die durch Medikationsfehler entstehen, vorzubeugen. • Die Bundesärztekammer hat sich in den Prozess zur Erarbeitung des nationalen Gesundheitsziels Patientensicherheit aktiv eingebracht und sich dafür eingesetzt, dass die Stärkung von Sicherheitskultur und Sicherheitskompetenz in diesem Rahmen fokussiert wird. Beides – Sicherheitskultur und Sicherheitskompetenz – bilden die Voraussetzung für die erfolgreiche Etablierung von problemspezifischen Einzelmaßnahmen zur Steigerung der Patientensicherheit. Kooperation Patientensicherheit

Seite 17 von 17 Positionspapier der Bundesärztekammer Impressum Herausgeber: Bundesärztekammer Arbeitsgemeinschaft der deutschen Ärztekammern Herbert-Lewin-Platz 1 | 10623 Berlin Fon: +49 (0) 30/ 400 456-0 Fax: +49 (0) 30/ 400 456-388 E-Mail: info@baek.de www.baek.de Stand: 20.04.2023 Layout und Umsetzung: rsplus Berlin | dr.richter+spurzem gbr www.rsplus.net Patientensicherheit

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